Es hatte am Vorabend aufgehört zu regnen und auch die Wettervorhersage für diesen Tag verhieß, dass es ein durchweg schöner, sonntiger Tag werden sollte. Dieser Umstand hatte zweierlei Bedeutung. Zum einen konnten wir unseren Ausflug einmal trockenen Fußes überstehen. Zum anderen hatte sich Eri vorgenommen sich an diesem Tag einen Kimono zu mieten, um mit ihm unseren Stadtausflug zu genießen.
Das ganz hört sich vielleicht exotisch an, doch in Wirklichkeit ist es das nicht, denn in Kyoto laufen zum einen relativ viele Frauen im Kimono herum, dazu gibt es noch die Geishas und Meikos (in Ausbildung befindliche Geishas), deren “Berufsbekleidung” dieses Gewand bildet.
Als ob dies das Stadtbild nicht deutlich genug prägen würde, gibt es eine durch die Stadt geförderte Maßnahme (verbilligter Eintritt zu den Sehenswürdigkeiten), dass Touristen sich Kimonos mieten und mit diesen das Stadtbild zusätzlich auflockern und einen historischen Flair verleihen.
So kam es, dass ich mich mit Eri an diesem Morgen in einer Kimono-Vermietung wieder fand. Kurz gab es noch die Idee, ich solle mich auch entsprechend einkleiden, doch da kamen mir meine Dimensionen zu Hilfe, denn in meiner Größe gab es nichts. Ich brauchte mich also nicht neu einzukleiden.
Das Aussuchen eines Kimonos war vergleichsweise einfach, obwohl wir vor etlichen Ständern mit Gewändern standen und diese fast überquollen an Kleidungsstücken. Aber nach rund 15 Minuten waren alle Entscheidungen gefällt und der passende Kimono ausgewählt. Was nun folgte war der langwierigere Teil, das anziehen.
Diesem Prozedere wohnte ich nicht bei. Ich saß für rund eine Stunde in einem Warteraum und war gespannt welche Verwandlung hier vollzogen wurde.
Da wir nicht die einzigen waren, die in diesem Laden einen Kimono mieteten, saßen alsbald andere Männer um mich herum, die auf ihre weibliche Begleitung warteten. Doch im Gegensatz zu mir, hatten sie sich auch entsprechend einkleiden lassen. Waren halt nur deutlich früher fertig als die Damen.
Als Eri in der Tür auftauchte, war ich sofort begeistert, denn sie sah in ihrem Kimono wirklich hübsch aus.
Eri hatte gehofft in Turnschuhen herumlaufen zu können, doch daraus war nichts geworden. Sie trug neben dem Kimono auch die passenden traditionellen Schuhe und auch die Handtasche war dem Outfit angepasst worden. Wie auch immer das Gesamtbild war wirklich sehr anmutend und ansprechend.
In den Straßen oder der U-Bahn hielt sich die Aufmerksamkeit, die Eri auf sich zog in Grenzen, was ihr sicherlich ganz recht war. Doch als wir unseren ersten Ausflugspunkt den Yasaka-Schrein erreichten, stürzte sich eine Reisegruppe von Chinesen auf sie und erst nachdem auch der letzte ein Foto mit ihr geschossen hatte, wurde sie freigegeben und wir konnten selber die Anlage besichtigen.
Obwohl wir mittlerweile schon etliche Tempel und Schreine gesehen hatte, genoss ich es immer wieder die Farben, Formen und die Stimmung auf mich wirken zu lassen.
Als besonders kontrastreich empfand ich die Tastsache, dass sich der Yasaka-Schrein am Ende einer sehr belebten Straße befand, auf die man durch das Tor des Schreins hinunter schauen konnte. So blickte man aus der Ruhe der Anlage hinunter auf das geschäftige Treiben der Straße.
Große Märsche hatten Eri und ich heute nicht geplant. Das ließ ihre Bekleidung wirklich nicht zu und so war es praktisch, dass sich in unmittelbarer Nähe unser nächstes Ziel befand. Eine kleine Straße im Gion Viertel (englischsprachiger Link), in der der Besucher einen kleinen Einblick in die historische Baukunst der Stadt erhielt. So wirkten die kleinen Holzhäuser im Vergleich zu den Betonbauten rings herum putzig, hübsch und geruhsam.
Natürlich waren es heute Geschäfte, Restaurants und ähnliches, doch tat es dem Eindruck den es hinterließ keinen Abbruch. Lediglich schade fand ich, dass die Straße mit Autos befahren werden durfte, was den Eindruck und die Ruhe beim Gehen doch störte.
Durch die frühe Zeit unseres Besuchen, hatte ich leider das Pech, dass sich nicht viele Geishas und Meikos in der Straße aufhielten. Am Abend sah dies wohl ganz anders aus. Doch ich hatte etwas Glück und entdeckte ein paar herrlich gekleidete Damen.
Mit dem Ende diese Straße, die uns diesen netten Einblick in die Vergangenheit gewährt hatte, erreichten wir schon unser nächstes Ziel, den Kennin-ji Tempel, der eine der Schulen des japanischen Zen–Buddhismus darstellt.
Von außen unterschied sich das Gebäude durchaus von den bisher gesehenen Tempeln, denn die Fassaden wirkten durch ihre Fachwerkarchitektur sehr wuchtig und vielleicht auch etwas Europäisch. Doch innen fand sich die Leichtigkeit der japanischen Architektur wieder und die größeren und kleineren Gärten lockerten den Gebäudekomplex zusätzlich auf.
In diesem Tempel gab es einen Teeausschank. Etwas zögernd nahm ich das Angebot an und staunte nicht schlecht wie dieser Tee schmeckte. Er erinnerte mich sehr stark eine eine sehr leckere Gemüsebrühe. Sicherlich hinkt der Vergleich, doch mir drängte sich dieser Geschmakseindruck förmlich auf und so wurde dies der erste Tee den ich in Japan selber kaufte.
Obwohl dieser Tempel durchaus rege besucht wurde, war es in ihm Ruhig und gemütlich und so hockten wir uns mal wieder auf die div. Treppen oder Bänke und genossen die teilweise sehr meditative Stimmung.
Da wir zumeist durch das Gebäude liefen, hatten wir uns am Eingang von unseren Schuhen trennen müssen und wir liefen barfüßig durch das Haus. Ging es hinaus in den Garten, in benachbarte Gebäude oder gar das WC, standen immer Pantoffeln bereit in die man schlüpfen konnte, um diese Wege zu erledigen.
Mit Abschluss dieses Aufenthaltes, wollte sich Eri langsam von ihrem Kleidungstück trenne, denn man hatte sie ordentlich eingeschnürt, was ihr so manches Mal den Atem raubte und so ging es auf direktem Wege zurück zum Kimono-Verleih.
Bevor wir Kyoto verließen, wurde sich noch mit lokalen Süßigkeiten eingedeckt. Wer nun glaubt sie seien für mich, der hat weit gefehlt. Nein, sie waren für Freunde und Bekannte, denn wer in Japan eine Reise tut, bringt von dort Souvenirs mit und überreicht sie anschließend an die daheim gebliebenen.
Die erworbenen Dinge gibt es dann auch zumeist nur an diesem Ort und so ist es ein beliebtes und begehrtes Mitbringsel.
Bevor wir unseren Zug in Richtung Heimat bestiegen, machte mich Eri noch auf den Bahnhof und seine Architektur aufmerksam. Diese war mir völlig entgangen, denn ich hatte wie immer mit den gewaltigen Menschenmassen zu kämpfen. So bekam ich zum Abschluss noch die durchaus aufregende Architektur des Kyotoer Bahnhofs zu sehen.
Nachdem ich mich erst langsam umgesehen hatte, entdeckte ich immer mehr Dinge, die meine Aufmerksamkeit erweckte und so kam es, dass wir doch deutlich länger in der Stadt blieben als vermutet.
Schließlich ging es doch Heim und die Fahrt im Zug wurde zum besonderen Erlebnis des abendlichen Pendelverkehrs.
Als wir zum Bahnsteig kamen, gab es schon so lange Menschenschlangen, dass wir entschieden den nächsten Zug zu nehmen. Dadurch waren wir nach gerade mal 15minütiger Wartezeit die Ersten in der Schlange, als es ums Einstigen ging. Doch selbst jetzt würde ich es als ausgesprochenen Glücksfall bezeichnen, dass wir Sitzplätze bekamen. Die restlichen Menschmassen quetschen sich in die Gänge und fuhren dicht gedrängt mit uns in Richtung Osaka und weiter nach Kobe.