60% Regenwahrscheinlichkeit. Was für eine unerfreuliche Neuigkeit für diesen Tag. Besonders freute ich mich darüber, denn zusätzlich erfuhr ich, dass es bis zum Kotohira-gū Schrein, den wir heute als Ziel ausgewählt hatten, 786 Treppenstufen zu überwinden galt. Oh, und das dann noch im Regen.
So schlecht war das Wetter morgens dann doch nicht, doch das war ohnehin egal, denn wir fuhren Bahn bis in die Stadt Kotohira der Präfektur Kagawa, in der sich der Schrein befand.
In Kotohira angekommen, fing es natürlich pünktlich an zu regnen.
Schon die Straße die vom Bahnhof weg führte vermittelte mir, durch die dort stehenden Figuren, dass dies ein besonderer und wohl auch schöner Tag werden könnte. Den Regen, der immer stärker wurde, versuchte ich zu ignorieren
Als wir dem Anstieg zum Schrein beängstigend nahe waren, kamen wir an einem Udon Restaurant vorüber und das nutzten wir, um ein frühes Mittagsmahl einzunehmen und zu Versuchen den Regen auszuhocken.
Das Essen war wirklich lecker und machte der Tatsache, dass diese Präfektur für ihr Udon berühmt war, alle Ehre. Das mit dem Regen aushocken, klappte nur bedingt. Als wir vor das Restaurant traten, war es zwar trocken, doch all zu lange hielt das nicht an.
Bis die ersten Treppenstufen auftauchten, dauerte es nicht lange und ich gebe zu, ganz so brutal sah es nicht aus. Es gab immer ein paar Stufen zu überwinden gefolgt einem mehr oder weniger langer Absatz. Links und rechts gab es viele Geschäfte, in denen der Tourist glücklich gemacht werden sollten.
Unter anderem wurden Bambusstöcke angeboten, die als Wanderstöcke dienen sollten. Kurz dachte ich über den Erwerb nach, verwarf den Gedanken jedoch, was ich später doch etwas bereute.
Alsbald erreichten wir ein Schreintor (Torii) und hier wurde ich dann doch etwa blass, als ich sah, in welchem Winkel sich die Stufen nun gnadenlos den Berg hinauf zogen. Ich war froh, dass Eri in einen Laden verschwand und ich den Schock in Ruhe verarbeiten konnte.
Beim Umsehen stellte ich fest, dass an dieser Stelle Männer einen besonderen Service anboten. Man konnte sich von ihnen den Berg hinauf tragen lassen. Wie das genau aussah, konnte ich nicht ergründen, denn niemand nahm das Angebot wahr. Es gab wohl einfach zu wenige Touristen an diesem Tag. Als ich mir das Angebot etwas genauer anschaute, meinte ich eine gewisse Angst in den Augen der Männer zu erblicken. Ich fragte mich, woher das wohl kommen mochte 🙂
Schließlich wagten wir uns an diesen ersten, für mich anstrengenden Anstieg. Viele Pausen und natürlich die Möglichkeit des Fotografierens, halfen mir diese Kletterei zu überstehen. Natürlich wurden wir von allerlei Volk überholt.
Etwas peinlich war es für mich, nicht die Tatsache, dass mich 90jährige überholten, nö, das war mir egal, eher junge voll durch gestylte Japanerinnen. Nicht nur dass sie sich mit Hochhackigen die Treppen hinauf arbeiteten, nein, man musste auch einen Minirock tragen, der diese Bezeichnung schon fast nicht mehr verdient hatte, so kurz war er.
Wir warteten, bis diese Mädels verschwunden waren, denn man konnte nicht nach oben schauen, ohne, dass es peinlich wurde.
Nach etwa 400-500 Stufen erreichten wir erneut ein Torii. Mit seiner Durchquerung erreichten wir die eigentliche Tempelanlage. Hier wurde kurzfristig etwas flacher und es gab keine Geschäfte mehr. So war es hier wesentlich besinnlicher und schöner.
Der Weg zog sich nicht grade den Berg hinauf, sondern es gab immer wieder Richtungsänderungen. Diesen Teil des Weges konnte man nicht einsehen und so stöhnte ich jedes Mal, wenn ich um die Ecke kam, und sah, dass es wieder neue Stufen zu überwinden galt.
Schließlich kamen wir um eine Ecke und die Anzahl der Stufen war mir einfach zu monströs. Ich brach innerlich zusammen. Glücklicherweise gab es hier ein Restaurant und es brauchte nicht viel Überredungskunst von Eri, mich hinein zu locken. Wir gönnten uns dort eine Kleinigkeit zu Essen und Tee.
Während wir versuchten wieder etwas trocken zu werde, nahm draußen der Regen fast Wolkenbruch artige Ausmaße an.
Von einer Bedienung erfuhren wir, dass es nur noch rund 250 Stufen bis zum Haupt Shintō-Schrein seien. Da wollte ich nicht aufgeben und wir nahmen in heftigstem Regen diese letzten Stufen in Angriff.
Trotzdem stöhnte ich jedes Mal, wenn immer mehr Stufen auftauchten und es einfach kein Ende zu geben schien. Es tröstete mich etwas, dass es anderen Menschen ebenso erging. Regelmäßig hörte man Bekundungen der Enttäuschung, wenn die Leute feststellten, dass das Ende einfach nicht in Sicht kam.
Ich mochte es kaum glauben, als ich schließlich am Haupt Schrein eintraf. Allerdings dämpfte das Wetter etwas die Begeisterung.
Am Aussichtspunkt, von dem man eigentlich einen grandiosen Ausblick haben sollte, schauten wir nur in den Nebel oder in eine Wolke. Ob es das eine oder das andere war, dürfte egal sein. Es gab nichts zu sehen.
Das Wetter war auch Schuld, dass der Aufenthalt etwas kurz ausfiel, obwohl es wirklich viel zu entdecken gab.
Auf den Abstieg freute ich mich wirklich nicht, denn die Stufen waren steil, nass und es gab keine Geländer. Das war der Moment, in dem es mich reute, keinen Stock als Unterstützung für den Abstieg erworben zu haben.
Ich arbeitete mich schließlich zwar unsicher die Stufen den Berg nach unten und meine Knie meldeten mir langsam, dass sie keine Lust mehr hatten Stufen zu laufen. Doch als es fast nicht mehr ging, hatte ich die letzten Stufen überwunden – dachte ich 🙂 … Am Bahnhof nämlich musste wir von einem Gleis zum anderen wechseln, welches nur über eine Brücke möglich war. Diese Stufen waren dann auch der Moment, an dem ich diese Teile zu Hassen begann. Um so glücklicher war ich, dass wir im Zug einen Sitzplatz bekamen und die Rückfahrt durchaus gemütlich war und dies trotz ländlicher Rush-Hour 🙂