In sehr alter Zeit, als die Insel Miyajima noch ein stiller Ort voller dichter Wälder und klarer Quellen war, lebten die Menschen eng mit dem Meer zusammen. Sie fischten, bauten kleine Boote und brachten jeden Morgen Opfer an die Schreine der Insel, denn sie wussten, dass das Meer ebenso freundlich wie gefährlich sein konnte.
Doch in den Tiefen der großen Bucht lebte ein Drache.
Sein Körper war lang wie ein Fluss, seine Schuppen schimmerten wie feuchte Steine, und sein Atem ließ manchmal das Wasser brodeln. Wenn er sich bewegte, wurden die Wellen hoch, und die Fischer fürchteten, hinauszufahren. Manche sagten, er sei böse. Andere glaubten, er verstehe nur nicht, wie sehr er die Menschen erschreckte.
Eines Abends, als das Licht der Sonne gerade hinter den Hügeln verschwand und sich ein goldener Schein über das Meer legte, kam eine Gestalt zur Insel. Es war Benzaiten, die Göttin der Musik, der Worte und der Reinheit des Wassers. Ihr Schritt war leicht, und als sie an das Ufer gelangte, ließ der Wind nach, als wollte er der Göttin Platz machen.
Sie setzte sich auf einen großen glatten Stein, der vom Meer rund geschliffen war, und nahm ihre biwa, eine Laute aus hellem Holz, in die Arme. Dann begann sie zu spielen. Ihre Musik war ruhig und klar, wie frisches Wasser, das über Kiesel rinnt.
Während sie spielte, glitt das Meer vom sanften Abendlicht in völlige Stille.
Die Wellen hörten auf zu schlagen, und das ganze Ufer lauschte.
Tief unten in der Bucht spürte der Drache die Melodie. Er kannte die Geräusche des Sturms, das Krachen der Wellen und das Rufen der Vögel – aber nie hatte er einen Klang gehört, der ihn berührte. Neugierig und vorsichtig tauchte er auf. Sein großer Kopf erhob sich aus dem Wasser, das im Mondlicht glitzerte, und er näherte sich langsam der Göttin.
Doch Benzaiten zeigte keine Furcht. Sie spielte weiter und sah ihn an, als hätte sie schon immer gewusst, dass er kommen würde.
„Großer Drache“, sagte sie, „diese Insel ist ein heiliger Ort. Die Menschen leben hier in Frieden. Aber sie fürchten dich, weil sie deine Kraft nicht verstehen. Wenn du willst, kannst du ihre Furcht in Vertrauen verwandeln.“
Der Drache senkte seinen Kopf. Die Musik hatte sein Herz weich gemacht, und er spürte, dass die Göttin recht hatte. Zum ersten Mal fühlte er den Wunsch, nicht Schrecken, sondern Schutz zu schenken.
„Ich werde über diese Insel wachen“, versprach er mit tiefer Stimme.
Seit diesem Tag änderte sich das Leben auf Miyajima.
Die Fischer bemerkten, dass das Meer freundlicher war. Wenn ein Sturm aufkam, schien es, als halte eine unsichtbare Kraft die Wellen zurück. Und manchmal, wenn ein Boot sich verirrte, führte ein stiller Strudel es sicher zurück zum Ufer.
Die Menschen sagten:
„Der Drache beschützt uns nun. Und Benzaitens Musik bleibt in diesem Meer für immer.“
So erzählt man bis heute auf Miyajima:
Wenn der Abend ruhig ist und ein leichter Wind über das Wasser streicht, kann man eine ferne, sanfte Melodie hören. Es ist der Klang der Göttin, und tief im klaren Wasser lauscht der Drache noch immer.
Ein paar Bilder von diesem
magischen und hübschen Ort












