Die Höhle von Udo lag hoch über dem Meer, verborgen im Fels, dort, wo Land und Wasser sich berühren. Unter ihr schlugen die Wellen gegen den Stein, doch in der Grotte selbst herrschte eine eigentümliche Stille, als hielte die Welt den Atem an. Hier hatte Toyotama-hime, Tochter des Meeresgottes Watatsumi, ihr Kind geboren.
Der Vater des Kindes war Hoori no Mikoto, ein Gott des Landes und der Berge, der einst aus Liebe zur Meereswelt hinabgestiegen war. Toyotama-hime hatte ihn gewarnt. Während der Geburt, so hatte sie gesagt, dürfe er sie nicht sehen. Denn in diesem Augenblick würden alle Meeresgöttinnen ihre wahre Gestalt annehmen – eine Gestalt, die nicht für menschliche oder landgebundene Augen bestimmt war.
Doch als die Schreie der Geburt durch die Höhle hallten, überkam Hoori die Sorge. Getrieben von Angst und Neugier trat er näher – und blickte.
In diesem Moment sah er Toyotama-hime nicht mehr als schöne Frau, sondern als das, was sie im Innersten war: ein uraltes Meereswesen, gewaltig und fremd, mit dem Leib eines Drachen, glänzend wie nasser Stein. Der Blick dauerte nur einen Augenblick. Doch er genügte.

Toyotama-hime erkannte, was geschehen war. Beschämt, nicht aus Schuld, sondern weil ein göttliches Gesetz gebrochen worden war, wandte sie sich ab. Sie wusste, dass sie nicht bleiben konnte. Noch in derselben Nacht kehrte sie ins Reich des Meeres zurück, zu ihrem Vater Watatsumi. Sie blickte nicht zurück.
So blieb das Neugeborene allein in der Höhle zurück.
Die Wiege aus Kormoranfedern, die man für seine Ankunft vorbereitet hatte, war unvollendet geblieben. Der Wind strich durch die losen Federn und ließ sie leise erzittern. Das Meer, sonst unruhig und laut, hielt Abstand, als hätte es seinem eigenen Kind Raum versprochen. Keine Welle drang in die Grotte ein.
Die alten Mythen erzählen, dass in diesen Stunden nicht Menschen über das Kind wachten, sondern die Natur selbst. Vögel kreisten über dem Höhleneingang und warnten mit ihren Rufen. Der Wind kühlte den Fels, wenn die Sonne ihn erhitzte. Die Höhle schloss sich um das Kind wie ein schützender Leib.
Dieses Kind war Ugayafukiaezu-no-Mikoto, Sohn des Meeres und des Landes, geboren zwischen zwei Welten und von keiner ganz behalten. Gerade diese Einsamkeit machte sein Schicksal aus. Er war nicht geschaffen, um im Meer zu leben, und nicht ganz dazu bestimmt, ein Gott zu bleiben.
Später nahm Tamayori-hime, die Schwester seiner Mutter, das Kind zu sich und zog es auf. Aus ihm ging schließlich Kaiser Jimmu hervor, der erste Herrscher Japans. Doch der Ort seiner Geburt wurde nie vergessen. Die Höhle von Udo blieb ein heiliger Ort, an dem Wind, Wellen und Stein bis heute davon erzählen, warum eine Mutter ging – und warum ein Reich dennoch begann.
So kam dann Kaiser Jimmu
Ugayafukiaezu-no-Mikoto war ja zwischen Meer und Land geboren worden, und so trug er beide Welten in sich. Aufgezogen von Tamayori-hime wuchs er heran, und als die Zeit gekommen war, verbanden sich ihre Schicksale. Aus ihrer Verbindung gingen vier Söhne hervor. Der Jüngste von ihnen war stiller als die anderen, doch in seinem Blick lag eine Entschlossenheit, die weiter reichte als das Naheliegende. Sein Name war Kamuyamato-Iwarebiko.
Als Ugayafukiaezu starb, lag die Zukunft in den Händen seiner Söhne. Sie lebten im Süden, in Hyūga, doch der Jüngste erkannte, dass von dort aus kein Reich zu führen war. Er folgte den Zeichen der Götter und brach mit seinen Brüdern auf, dem Lauf der Sonne entgegen. Auf ihrem Weg fielen Prüfungen über sie her, und der älteste Bruder starb. Von da an führte Kamuyamato-Iwarebiko den Zug an.
Göttliche Zeichen begleiteten ihn. Ein heiliger Rabe wies ihm den Weg durch unbekanntes Land, und mit jeder Etappe wuchs seine Entschlossenheit. Schließlich erreichte er Yamato, besiegte die dortigen Herrscher und errichtete seinen Sitz im Herzen des Landes.
So wurde aus dem Sohn Ugayafukiaezu-no-Mikotos der erste Kaiser Japans. Man nannte ihn Kaiser Jimmu, und mit ihm begann die Linie der Herrscher, die ihren Ursprung im Meer, im Land und im Willen der Götter hatte.
Ein paar Bilder von dieser
magischen Ort
Udo Jingu Shrine (鵜戸神宮)












