Der Morgen war kühl und klar. Die Sonne kitzelte meine Nase, und ich war voller Energie. Ich wollte in die norwegischen Berge, ins Fjell! Hoch hinaus, dahin, wo man kaum noch Menschen trifft, wo nur der Wind über die Felsen streicht. Genau so hatte ich mir mein Abenteuer vorgestellt.
Der Aufstieg war anstrengend. Ich keuchte und schwitzte, aber es fühlte sich gut an – wie eine kleine Heldentat mit jedem Schritt. Stunden später stand ich ganz oben auf einem riesigen Hochplateau. Um mich herum: nichts als Weite. Kein Auto, kein Haus – nur Felsen, Gras, Himmel. Ich fühlte mich frei. Und winzig klein zugleich.
Jetzt sollte es zurück ins Tal gehen. Die Frau vom Zeltplatz hatte mich gewarnt:
„Da gibt’s keinen richtigen Weg. Nur ein paar Anhaltspunkte – und es ist steil!“
Damals klang das aufregend. Jetzt stand ich am Rand eines steilen Hangs und dachte:
Ganz schön mutig, was ich mir da vorgenommen habe …
Trotzdem ging ich weiter.
Ich suchte nach den Zeichen, die mir den Weg zeigen sollten – einen kleinen See, ein paar markante Steine. Aber langsam verschwand alles um mich herum. Der Weg war weg. Einfach weg. Nur noch Gras, Steine, Abhang.
Ich war allein. Kein Schild. Keine Spuren. Es kam aber ein kleines niedliches Schaf zu mir und ich fragte ihn, ob er mir helfen kann. Er schaute mich sehr verwirrt an, denn erlebte ja hier oben und ging immer nur seine eigenen Wege, deshalb meinte er, dass er keine Idee hätte wo ich gehen müsste.
Leider half mir dann auch meine Wanderkarte nicht weiter.
Dann sah ich etwas tief unten im Tal auf der anderen Hang Seite – das sah aus wie ein Pfad!
Da muss ich runter, dachte ich.
Der Abstieg begann vorsichtig. Ich trat langsam, prüfte jeden Schritt. Aber der Boden wurde bröckelig, rutschig, immer steiler. Dann – direkt vor mir – ein Abgrund. Eine Felswand. Mindestens fünf Meter tief.
Kein Weg nach unten. Und zurück? Auch schwierig.
Ich bekam Angst. Ich lief an der Kante entlang, suchte nach einem Durchgang. Aber es gab keinen. Dann sah ich einen Ast. Er wuchs ganz nah am Rand. Vielleicht … vielleicht konnte ich mich daran abseilen?
Ich prüfte den Ast. Er schien stabil. Also griff ich zu – und begann langsam zu klettern.
Doch dann rutschte ich ab.
Für einen Moment hing ich nur noch an diesem Ast. Mein Herz schlug wie wild. Ich konnte kaum atmen.
Meine Hände rutschten …
Und ich fiel.
Ich fiel – und es war, als hielte die Welt den Atem an. Kein Ton. Kein Gedanke. Nur der Wind in meinen Ohren.
Dann kam der Aufprall.
Ich landete zwischen Felsen. Ganz ruhig. Kein Blut. Kein Schmerz. Nur Schock. Ich lag still. Starrte in den Himmel. Und dachte: Ich lebe noch.
Langsam bewegte ich meine Finger. Meine Beine. Alles ging noch. Ich hatte unglaubliches Glück gehabt.
Ich setzte mich auf. Schaute nach oben – dorthin, wo ich heruntergefallen war.
Mein Herz hämmerte. Meine Knie zitterten. Aber ich war da. Ich war wach. Ich war am Leben.
Ich wusste: Ich muss weiter. Zurück ins Tal. Bevor es dunkel wird.
Und wie durch ein Wunder fand ich den Pfad wieder. Er war schmal, manchmal kaum zu sehen. Ich stieg durch Bäche, über rutschige Steine und Geröll. Ich blieb ruhig. Schritt für Schritt.
Der letzte Teil war noch einmal richtig schwierig. Aber diesmal war ich vorsichtiger.
Ich setzte jeden Fuß mit Bedacht. Ich atmete tief. Ich kämpfte – und ich schaffte es.
Unten im Tal, als ich endlich auf flachem Boden stand, gaben meine Beine nach. Nicht vor Schmerz – sondern vor Erleichterung.
In der Nacht konnte ich kaum schlafen. Immer wieder sah ich mich fallen.
Ich war nach Norwegen gekommen, um ein Abenteuer zu erleben – und fast hätte ich es mit meinem Leben bezahlt.
Am nächsten Morgen packte ich meine Sachen. Ich war noch nicht fertig mit meiner Reise.
Aber ich wusste jetzt: Manchmal ist es mutiger, vorsichtig zu sein.
Und ich war dankbar – so, so dankbar – dass ich weitergehen durfte.
Erzählung 1

Erzählung 2

